Berichte 2020

Herzzentrum

Das Universitäre Herzzentrum Zürich am USZ zählt zu den führenden Herzzentren der Schweiz. Die Mitarbeitenden der Klinik für Kardiologie und der Klinik für Herzchirurgie arbeiten eng in Heart Teams zusammen. Expertinnen und Experten beider Bereiche entscheiden gemeinsam über diagnostische und therapeutische Massnahmen bei koronaren Herzkrankheiten, Herzklappenerkrankungen, Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern, Rhythmusstörungen und Herzinsuffizienz.

Trotz präventiver Massnahmen ist die koronare Herzkrankheit die wichtigste Ursache von Morbidität und Mortalität in der Schweiz.

Akutes Koronarsyndrom (ACS)

Die Rate der im Spital verstorbenen Patient*innen mit akutem Koronarsyndrom, die im Herzkatheterlabor des USZ behandelt wurden, lag bei 5.1 Prozent. Patient*innen mit einem ST-Hebungsinfarkt wiesen eine Mortalität von 8.4 Prozent auf und solche mit einem Nicht-ST-Hebungs-ACS (NSTEMI) eine Mortalität von 3.9 Prozent. Keine Patientin beziehungsweise kein Patient mit einer instabilen Angina pectoris verstarb. Die nachfolgende Grafik zeigt die Mortalität im Fünfjahresvergleich.

In-Hospital-Mortalität im Jahresvergleich

Quelle: Klinik für Kardiologie, Prof. Dr. Frank Ruschitzka, Prof. Dr. Dr. Christian Templin

2017
2018
2019
2020
2021

Das USZ ist ein universitäres Schwerpunktzentrum, an das sich Rettungsdienste und zuweisende Spitäler vor allem mit Patient*innen in einem kritisch instabilen Kreislaufzustand beziehungsweise unter Reanimationsmassnahmen wenden. Der Anteil an schwerstkranken Patient*innen, die am USZ behandelt werden, ist deshalb seit Jahren hoch.

Prozentualer Anteil instabiler Patienten im Jahresvergleich

Quelle: Klinik für Kardiologie, Prof. Dr. Frank Ruschitzka, Prof. Dr. Dr. Christian Templin

2017
2018
2019
2020
2021

Die Mortalität hängt entscheidend vom Schweregrad der Erkrankung beziehungsweise des Zustands des Herz-Kreislauf-Systems bei Eintreffen der Patient*innen ab. Aus diesem Grund werden die Mortalitätszahlen detailliert aufgeschlüsselt.

Die In-Hospital-Mortalität ist bei kreislaufinstabilen Patientinnen und Patienten deutlich höher als bei stabilen. Mortalitätsraten dieser Patientenpopulation liegen gemäss Literatur zwischen 40 und 70 Prozent.

Vergleicht man die Mortalitätsraten der letzten fünf Jahre, lässt sich ein deutlicher Trend der Abnahme der Mortalität und damit der Zunahme der Überlebenschance bei kritischen ACS-Patient*innen ablesen. Die enge Zusammenarbeit und die einheitliche Indikationsstellung der Herzkatheter-Teams sowie die strukturierten Prozesse und die grosse Routine verstärken diesen Trend.

In-Hospital-Mortalität instabiler Patienten im Jahresvergleich 

Quelle: Klinik für Kardiologie, Prof. Dr. Frank Ruschitzka, Prof. Dr. Dr. Christian Templin

2017
2018
2019
2020
2021

Prozessqualität: systematische Erhebung der «Time to Reperfusion»

Da die Zeitdauer bis zur Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefässes im Rahmen des Herzinfarkts einen entscheidenden Einfluss auf das Behandlungsresultat der Patienten hat, wird im USZ die sogenannte «Door to Wire» (Reperfusionszeit) gemessen. Diese Kennzahl wird von den führenden internationalen Gesellschaften als Qualitätskennzahl empfohlen und sollte bei direkter Anfahrt des Herzkatheter-Zentrums unter 60 Minuten liegen.

Die ersten Daten am USZ zeigen bei 102 Patient*innen einen Median von 46:55 Minuten.

(Ibanez B, James S, Agewall S, Antunes MJ, Bucciarelli-Ducci C, Bueno H, Caforio ALP, Crea F, Goudevenos JA, Halvorsen S, Hindricks G, Kastrati A, Lenzen MJ, Prescott E, Roffi M, Valgimigli M, Varenhorst C, Vranckx P, Widimský P; ESC Scientific Document Group. 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2018 Jan 7;39(2):119-177. doi: 10.1093/eurheartj/ehx393. PMID: 28886621).

 

Herzchirurgie

In der Klinik für Herzchirurgie wurden von September 2020 bis Dezember 2021 1’020 Eingriffe durchgeführt. 60% aller Eingriffe wurden elektiv durchgeführt (Wahleingriff), 40% aller Patientinnen und Patienten wurden notfallmässig oder dringlich operiert.

Der EuroScore II ist ein international gültiges Modell, mit dem das Risiko vorausgesagt werden kann, an einer Herzoperation zu versterben. Dabei wird das Todesrisiko (= Mortalitäts-Risiko) aufgrund von 17 patienten- und operations-spezifischen Kriterien Computer-gestützt berechnet.

Berechnet der EuroScore II zum Beispiel ein Risiko von 5 Prozent, heisst das, dass ein spezifischer Patient im Rahmen einer bestimmten Herzoperation ein Risiko von 5 Prozent hat, an der Operation zu versterben, oder dass im Rahmen von 100 solcher Operationen 5 Patienten versterben werden, was einer «vorausgesagten Sterberate» oder «predicted Mortality» entspricht. Sind 100 Patient*innen operiert worden, ist die Sterberate bekannt, sie entspricht der «beobachteten Sterberate» oder «observed Mortality». Die «vorausgesagte Sterberate» kann so mit der tatsächlichen, d.h. der «beobachteten Sterberate» verglichen werden. Liegt die beobachtete Sterberate unter der vorausgesagten, gilt die Qualität im Vergleich zum internationalen Massstab als gut.

Das Verhältnis der beobachteten zur vorausgesagten Sterberate gilt somit als Qualitätsmerkmal. Je tiefer die beobachtete Sterberate im Vergleich zur vorausgesagten ist, desto höher ist die Qualität im Vergleich zum internationalen Durchschnitt. Innerhalb einer Klinik kann damit die Qualität im nationalen und internationalen Vergleich analysiert werden. Die Methode ist sensitiv und erlaubt eine schnelle Korrektur nicht-optimaler Prozesse.

Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Anzahl durchgeführter Operationen der Periode September 2020 bis Dezember 2021 und vergleicht die vorausgesagte mit der tatsächlichen Sterberate.

Mortalitätsraten bei herzchirurgischen Eingriffen

Quelle: Klinik für Herzchirurgie; Prof. Dr. med. Dr. h.c. Paul R. Vogt, Klinikdirektor

Art der Operation Anzahl «predicted Mortality» «observed Mortality»
Zeitraum 01.09.2020–31.12.2021
Elektive aorto-koronare Bypasschirurgie (1) 200 2.40% 0.00%
Elektiver Aortenklappenersatz 33 3.20% 3.00%
Kombinationseingriffe (mehrere Klappen ± Bypasschirurgie ± elektive Aortenchirurgie) 397 6.30% 3.50%
TAVI (Katheter-gestützte Implantation von Aortenklappen) 136 4.66% 1.20%
Mitralklappen-Chirurgie 38 8.20% 0.00%
Akute Aorten-Dissektion 82 26% 7.00%
Endokarditis-Chirurgie (Infektionen von Herzklappen) 47 15% 3.00%
Varia: Perikarditis constrictiva, HOCM, Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern 43 9.70% 0.00%
LVAD («left ventricular assist device” = Implantation eines Kunstherzens) (2) (3) 12 38% 8.30%
Herztransplantation (HTPL) (2) 25 27% 4.00%
ECMO (extrakoroporelle Membran-Oxygenation 150 Kommentar siehe ECMO Kommentar siehe ECMO

For detailed table view

(1) Eine notfallmässige Bypass-Operation im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms, respektive eines akuten Herzinfarkts, wurde nur bei drei Patienten durchgeführt, die medikamentös nicht stabilisiert werden konnten. Alle anderen Patienten mit akutem Koronarsyndrom oder akutem Herzinfarkt wurden zunächst medikamentös und/oder mit mechanischen Kreislauf-Unterstützungs-Systemen stabilisiert und dann beschleunigt oder elektiv operiert.

(2) LVAD + HTPL: Aufgrund der eher kleinen Fallzahlen pro Jahr wurden die Resultate der LVAD-Implantationen und der HTPL für den Zeitraum September 2020 bis August 2022 analysiert. Nur grössere Zahlen erlauben eine zuverlässige Beurteilung der Qualität.

(3) LVAD: Patient*innen, die ein Kunstherz erhalten, werden in sechs Risikogruppen eingeteilt: «Intermedics 1» bis «Intermedics 6». «Intermedics 1»-Patienten sind Patienten der höchsten Risikogruppe. Sie befinden sich bereits vor der Implantation eines LVAD auf der Intensivstation, sind evtl. bereits beatmet und benötigen eine andere Form von mechanischer Kreislaufunterstützung, um für die Implantation eines LVAD zu qualifizieren. Alle Patient*innen, die in der Klinik für Herzchirurgie ein LVAD erhielten, waren in der höchsten Risiko-Gruppe. Die international publizierten Sterberaten für LVAD-Implantationen bei «Intermedics 1- bis 6»-Patienten liegen in der Regel bei >10 Prozent.

 

ECMO

Während der COVID-19-Pandemie erlitt eine grosse Anzahl von Patient*innen ein komplettes Lungen- und/oder Herzversagen. Diese Patienten konnten nur mit einer ECMO («extrakorporelle Membran-Oxygenation») gerettet werden. Dabei handelt es sich um ein extern am Patienten angebrachten Gerät, das vorübergehend die Lungen- und/oder Herzfunktion übernimmt, bis diese Organe sich von der Infektion wieder erholt haben.

Die ECMO kam selbstverständlich auch bei Herz- und/oder Lungenversagen anderer Genese zum Einsatz, so zum Beispiel als Überbrückungsmassnahme für Patient*innen mit komplexem postoperativem Verlauf, als Vorbereitung zur Implantation eines Kunstherzens oder einer Herztransplantation sowie im Rahmen mechanischer Kreislauf-Reanimationen, Sudden Cardiac Death mit out-of-hospital Reanimation, Lungenembolie, Sepsis oder schwerem isoliertem Lungenversagen (ARDS) verschiedener Ursachen.

Im Jahr 2021 wurden insgesamt 150 ECMO’s eingesetzt, davon 60 für COVID-19-Patient*innen. Zudem wurden 55 Transporte, davon 30 bei COVID-Patient*innen durchgeführt, um Patient*innen von anderen Kliniken ins USZ zu bringen. Das ECMO-Team der Klinik für Herzchirurgie (Kardiotechniker und Herzchirurg) hat auch internationale Transporte durchgeführt. Die hohe Zahl an ECMO zeigt die zusätzliche Belastung des Kardiotechnik/Herzchirurgie-Teams vor allem auch während der COVID-Pandemie.

Patient*innen, die eine klare Indikation für den Einsatz einer ECMO haben, würden ohne sie versterben. Dank der ECMO-Therapie konnte die Sterberate massiv gesenkt werden:

  • ECMO-Mortalität von COVID-19-Patient*innen im USZ: 19 Prozent
  • ECMO-Mortalität von allen Patient*innen im USZ: 43 Prozent
  • ECMO-Mortalität von kardialen Patient*innen im USZ: 57 Prozent

Infektionen nach medianer Sternotomie

Viele Eingriffe am Herz können heute minimal-invasiv durchgeführt werden, aber längst nicht alle. Eine Operation am offenen Herz macht eine sogenannte mediane Sternotomie notwendig: Das Brustbein wird durchtrennt und der Brustkorb für die Operation auseinandergezogen. Anschliessend wird der Brustkorb wieder verschlossen und das Brustbein mit Drahtschlaufen befestigt. Wie bei jeder Operationswunde besteht auch hier das Risiko eines Infekts. In der Schweiz entwickelt im Durchschnitt jeder 20. Patient nach einer offenen Bypass-Operation einen Wundinfekt.

Die Infektionsrate nach medianer Sternotomie lag 2021 in der Klinik für Herzchirurgie unter einem Prozent. Nur gerade zwei von über 200 Patientinnen und Patienten waren von einer solchen Komplikation betroffen. Grund für die massive Abnahme postoperativer Wundinfektionen war die Einführung und Umsetzung eines Infektions-Präventions-Protokolls, das aus verschiedenen präoperativen, intraoperativen und postoperativen Massnahmen besteht*.

(*Vogt-PR et al.: Reduction of sternal wound infection with a refined surgical technique and single shot systemic and sternal spongiosa topical antibiotic prophylaxis compared to 24 hours systemic antibiotics. American Journal of Clinical Microbiology and Antimicrobials. 2019:2(2):1036)