Welche Folgen hatten die neuen Erkenntnisse?
Es war nun offensichtlich, dass sich die axSpA verschieden zeigen konnte und viel mehr Frauen betraf als angenommen. Auch wurde klar, dass die nicht-röntgenologische axSpA nicht nur als Frühform der ankylosierenden Spondylitis gelten darf, sondern dass Betroffene über das ganze Leben in diesem Stadium bleiben können. Dies scheint deutlich häufiger bei Frauen der Fall zu sein, als bei Männern. Es darf hier nicht der Eindruck entstehen, dass Frauen insgesamt einen milderen Verlauf der axSpA haben. Dies gilt nur hinsichtlich der nachweisbaren entzündlichen Aktivität (MRI, Labor) und der Tendenz zur Verknöcherung. In Bezug auf die Intensität der Rückenschmerzen und der Schmerzen an den Extremitäten (Gelenke und Sehnenansätze), auf die funktionellen Einschränkungen im Alltag und die deutliche Reduktion der Lebensqualität sind Frauen mindestens so stark betroffen wie Männer.
Wie wirkte sich diese Erkenntniskette auf die Behandlungsqualität der Frauen aus?
Die Wahrnehmung der Frauen als eigene Patientengruppe hat sich dadurch verändert. Bei Frauen verzögert sich die Diagnose und somit der Therapiebeginn im Durchschnitt aber weiterhin um mindestens ein Jahr. Auch wenn man für diesen Unterschied adjustiert, stellt man leider fest, dass Frauen generell schlechter auf eine Behandlung ansprechen als Männer. Erstaunlicherweise ist auch das Ansprechen bei der nicht-röntgenologischen Form nicht besser als bei der ankylosierenden Spondylitis, obwohl diese früher festgestellt wird. Dies wurde wiederholt in klinischen Studien von verschiedenen Biologika bei axSpA, wie auch in verschiedenen Patientenregistern, u.a. auch im Schweizerischen nachgewiesen.
Wo liegt eigentlich das Problem?
Leider haben es die grossen Pharmafirmen verpasst, die randomisierten Studien so zu gestalten, dass eine genügende Aussagekraft bezüglich der angenommenen therapeutischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen vorliegt. Ein noch grösseres Problem liegt hinsichtlich der Spezifität der entzündlichen Veränderungen im MRT vor. Neuere Studien zeigen, dass kleinere Veränderungen als sehr unspezifisch gelten müssen und auch durch mechanischen Reiz bei unterschiedlichen Belastungen (Fehlbelastungen, Sport, Militärdienst, Schwangerschaft) auftreten können. Wir haben somit das Problem von potentiellen Falschdiagnosen, wenn der Fokus allein auf die MRT gestellt wird.
Wie lässt sich die Behandlungsqualität verbessern?
Es wird neu definiert werden müssen, was eine positive MRT für die axSpA-Diagnose ausmacht. Die MRT ist nur ein zwar wichtiges Puzzle-Teil in der Diagnostik, erlaubt aber oft nicht allein eine Diagnosestellung. Je grösser die Ausweitung und die Intensität der Entzündung im MRT, desto besser wird aber das Ansprechen auf die anti-entzündliche Therapie sein. Grundsätzlich wird man Frauen nicht anders behandeln als Männer. Man wird aber die Auswahl der Personen, welche eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein gutes Ansprechen haben, besser treffen können – unabhängig davon, welches Geschlecht sie haben. Umso wichtiger erscheint auch der Austausch zwischen Rheumatologen und Radiologen über die neuesten Erkenntnisse. Dazu trägt das Patientenregister bei, das wir seit 2005 im Rahmen des Swiss Quality Management in Rheumatic Diseases führen und das für unsere bisherige Forschung und weitere Fortschritte die Basis bildet.